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Amazons Allianzen: Wie Edeka, Aldi, Rewe und Lidl unabhängige Händler in die Arme ihres angriffslustigsten Konkurrenten treiben

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Partner und Sponsoren:
Partner und Sponsoren:

Scheinbar im Monatstakt gibt Amazon derzeit neue Kooperationen mit Lebensmittelhändlern bekannt, die sich doch eigentlich vor dem Riesen fürchten müssten, weil er ihnen das Geschäft streitig zu machen versucht, wie es ständig in den Medien steht. Trotzdem lassen sich viele auf eine Zusammenarbeit ein.

Der neueste Zugang ist die Allgäuer Supermarktkette Feneberg, die in Süddeutschland 76 Filialen betreibt und zunächst rund 4.000 Artikel für Amazons Schnelllieferdienst Prime Now in München beisteuert: Obst, Gemüse, Fleisch, Tiefkühlprodukte, Haltbares. Damit ist Feneberg inzwischen in bester Gesellschaft:

  • Das norddeutsche Handelsunternehmen Bünting (Combi, famila) beliefert Amazon bereits seit 2011 mit Produkten aus dem Trockensortiment.
  • Bartels-Langness aus Kiel (famila) besorgt für Prime Now z.B. Tiefkühl- und Frische-Artikel.
  • Seit März kooperiert die (zur Schweizer Migros gehörende) hessische Supermarktkette Tegut und liefert auch Produkte ihrer Eigenmarke an Prime-Now- und Fresh-Kunden.
  • Die Biomarktkette Basic ist in Berlin und München an Bord und bringt ihr vollständiges Bio-Sortiment bei Amazons Lebensmittellieferdiensten ein, auch Obst und Gemüse (siehe Supermarktblog).
  • Und in München werden Prime-Now-Kunden schon seit vielen Monaten mit frischen Backwaren der regionalen Bäckerkette Rischart versorgt.

Das dürfte auf absehbare Zeit so weitergehen und Amazon womöglich schneller als gedacht zu einem ernst zu nehmenden Wettbewerber im deutschen Lebensmittelhandel machen.


Im Interview mit der „Lebensmittel Praxis“ hat Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet im April erklärt, warum sein Unternehmen sich zur Zusammenarbeit entschlossen hat – unter anderem, um auch online präsent zu sein:

„Wir wussten, wir würden uns als regionaler Player schwer tun, etwas national auf die Beine zu stellen, das sich betriebswirtschaftlich darstellen lässt. Amazon macht es gut und hat große Marktbedeutung, daher ist diese Partnerschaft für uns interessant.“

Außerdem hofft Gutberlet (zurecht) darauf, mit Tegut an Bekanntheit zu gewinnen:

„Natürlich geht es vor allem darum, die Marke Tegut bekannter zu machen über unser Einzugsgebiet hinaus. Wir möchten weiter expandieren, vor allem Richtung Süden, wo man uns aber noch gar nicht kennt. Durch Amazon ändert sich das nun hoffentlich.“

Dass sich renommierte Händler, die sonst mit Kooperationen eher vorsichtig agieren, einem amerikanischen Konzern in die Arme werfen, der unter anderem dafür bekannt ist, dass er nicht gerade zimperlich mit seinen Partnern umgeht, um die eigenen Prinzipien durchzusetzen, hat aber noch einen anderen Grund als den von Gutberlet genannten „Marketing-Effekt“.

Genau genommen sind es sogar vier: Aldi, Edeka, Rewe und Kaufland/Lidl.

Die Großen werden immer größer

Die vier Gruppen beherrschen zusammen inzwischen rund 85 Prozent des deutschen Lebensmitteleinzelhandels. Und sie tun alles dafür, dass diese Zahl noch weiter wächst.

Aldi und die Schwarz-Gruppe (mit Kaufland und Lidl) vergrößern ihre Vormachtstellung vor allem über eine aggressive Preispolitik, bei der sich schon die großen Wettbewerber schwer tun, mitzuziehen. Für regionale Unternehmen, die gegenüber Herstellern nicht dieselbe Einkaufsmacht mitbringen, ist das noch sehr viel schwerer.

Edeka und Rewe bauen ihre Marktposition derweil auch durch Übernahmen aus. Der langwierige Kampf um die Märkte von Kaiser’s Tengelmann war der vorläufige öffentlich ausgetragene Höhepunkt. Mit Absegnung des damaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel gingen alle kleineren Wettbewerber, die Interesse an der Übernahme regionaler Filialen angemeldet hatten, leer aus. Am Ende profitierten ausschließlich die beiden größten Supermarktketten, die sich das Filialnetz in der Hauptstadt komfortabel in Mini-Nachbarschaftsmonopole aufteilen durften (siehe Supermarktblog).

Parallel dazu hat Rewe die (endgültige) Übernahme der norddeutschen Sky-Supermärkte eingefädelt (siehe Supermarktblog), zunächst durch die Gründung einer Gesellschaft unter gemeinsamer Beteiligung mit Coop. Inzwischen ist aber längst klar, wer künftig das Sagen hat: Sämtliche Sky-Märkte sollen bis Ende 2018 zu Rewe-Filialen werden, berichten die „Kieler Nachrichten“.

Anders gesagt: Die großen Handelskonzerne lassen den kleinen kaum noch Raum, um weiter zu existieren.

Mit dieser Umzingelungsstrategie treiben sie die verbliebenen Wettbewerber direkt in die Arme ihres angriffslustigen Konkurrenten Amazon, über dessen Angriff auf „ihren“ Markt sie öffentlich jammern, so wie der gerade zu C&A gewechselte Ex-Rewe-Chef Alain Capparos.

Alles unter einem Namen

Das gilt nicht nur für klassische Lebensmittelhändler, sondern für alle (früheren) Partner, deren Geschäftsfelder Aldi, Edeka, Rewe und Kaufland/Lidl sich anschicken, selbst zu übernehmen: Wenn in den Filialen immer üppiger bestückte Backstationen mit Aufbackware auftauchen und unabhängige Vorkassenbäcker deswegen überflüssig werden, liefern die ihre Ware im Zweifel eben per Prime-Now-Kunden.

Amazon kann das nur recht sein. Olaf Kolbrück schreibt nebenan bei Etailment.de, man mache „aus der Not auch eine Tugend“: Wenn die großen Händler sich weigerten, zu kooperieren, angele man sich eben die Regionalkompetenz der kleinen.

Womöglich können die Amerikaner ihr Glück aber auch gar nicht fassen, wie einfach die großen Handelskonzerne es ihnen machen, den Einstieg in den deutschen Lebensmittelhandel zu schaffen – indem sie mit ihrer (für kleinere Wettbewerber immer bedrohlicher werdenden) Vormachtstellung die Grundlage dafür gelegt haben. Amazons Marktplatzmodell, das aus den Sortimenten möglichst vieler Händler eine riesige Markenwelt zusammensetzt, ist das Gegenteil der Strategie der großen Vier, die sich eine Marke nach der anderen einverleiben und über alles den eigenen Namen stülpen wollen.

Das Ziel ist freilich in beiden Fällen dasselbe: Kunden so eng an sich zu binden, dass die gar nicht mehr darüber nachdenken müssen, woanders einzukaufen.

Für Amazon ist jeder ersetzbar

Im Umkehrschluss bedeutet das nicht, dass Amazon der Traumpartner regionaler Händler und Produzenten wäre. Gegenüber der „Lebensmittel Praxis“ hat Tegut-Chef Gutberlet klar gestellt, dass sich die Hessen ihrer Ersetzbarkeit bewusst sind.

„Je besser es [für Amazon] läuft, desto schneller werden wir nicht mehr benötigt. Wenn die Umsätze mit einzelnen Produkten richtig interessant werden für Amazon, dann werden sie diese direkt beziehen.“

Ohnehin gehe man „am Anfang von keinen großen Umsatzvolumina aus“, „der Umsatz eines großen Tegut-Marktes“ sei zunächst okay. Sollte sich das ändern und Amazon zunehmend zu einem wichtigen Vertriebskanal z.B. für Tegut-Produkte werden, dürfte das allerdings auch die Abhängigkeit erhöhen – wenn Amazon plötzlich zum Beispiel eigene Ideen zur Preisgestaltung der Produkte entwickelt und das zwangsläufig auf die stationären Märkte zurückwirkt.

Für keinen Händler sind das besonders gute Aussichten. Aber die Partner, die Amazon sich derzeit angelt, sind bereit, dieses Risiko in Kauf zu nehmen – weil jeder Schritt nach vorn besser ist als weiter abzuwarten, wie Aldi, Edeka, Rewe und Kaufland/Lidl näherrücken. Bis sie ihre Markposition irgendwann so weit ausgedehnt haben, dass den Unabhängigen gar keine Luft mehr zum Atmen bleibt.

Fotos: Supermarktblog"

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